Während sich in Deutschland die Wirtschaft zunehmend erholt, kämpft Spanien weiterhin gegen die schwierigste Wirtschaftskrise seit Einführung der Demokratie. Eine der Folgen der Krise ist der grassierende Zahlungsverzug, der wiederum einer der Gründe für die steigende Zahl der Unternehmensinsolenzen ist. Mit dem Gesetz 15/2010 vom 05. Juli zur Reform der bereits im Jahr 2004 erlassenen gesetzlichen Bestimmungen zur Umsetzung der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie (Gesetz 3/2004 vom 29.12.2004) soll diesem Übel, das sowohl private Unternehmen wie die öffentliche Verwaltung betrifft, entgegengesteuert werden.
Wesentlicher Eckpfeiler der Reform ist die weitgehende Beseitigung der Vertragsfreiheit bei der Vereinbarung von Zahlungszielen im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und zwischen Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung sowie die Einführung von gesetzlich normierten Höchstfristen. Zukünftig werden damit die Zahlungsziele von Unternehmen untereinander nicht mehr beliebig vereinbart werden können und die Zahlungsfristen gesetzlich auf höchstens 60 Tage ab Lieferung bzw. Leistung festgelegt. Ausgenommen hiervon ist die Lieferung vergänglicher Lebensmittel, bei denen eine Zahlungsfrist von höchstens 30 Tage vereinbart werden kann. Im Verhältnis zur öffentlichen Verwaltung werden die Zahlungsfristen auf höchstens 30 Tagen ab Abschluss des Auftrages festgelegt.
Abweichende Vereinbarungen, die längere Zahlungsziele vorsehen, sind nach der Reform nichtig und damit unbeachtlich. Gleiches gilt für Vereinbarungen, die indirekt zu längeren Zahlungszielen führen wie z.B. der Ausschluss von Urlaubszeiten bei der Berechnung der Zahlungsziele oder formelle Hürden wie Vereinbarungen zur Genehmigung von Rechnungen, deren Hintergrund eine Verlängerung der gesetzlichen Zahlungsfristen ist.
Die Einführung der erwähnten Zahlungsfristen wird nicht schlagartig, sondern stufenweise bis zum Jahr 2013 erfolgen. Für Zahlungen von Unternehmen untereinander gilt für die Jahre 2010 und 2011 ein maximales Zahlungsziel von 85 Tagen und für das Jahr 2012 von 75 Tagen. Das allgemeine Zahlungsziel von 60 Tagen wird ab dem 01. Januar 2013 erreicht werden.
Ausgenommen hiervon sind Lieferungen von vergänglichen Lebensmitteln, bei denen die Höchstfrist von 30 Tagen sofortige Anwendung findet. Eine weitere Ausnahme konnten die Unternehmen aus dem Bausektor für die Zahlung an ihre Subunternehmer und Lieferanten durchsetzen: Für die Laufzeit von 2 Jahren ab In-Kraft-Treten der Reform ist diesen Unternehmen unbenommen, für laufende Bauvorhaben der öffentlichen Verwaltung mit ihren Subunternehmen und Lieferanten längere Zahlungsfristen vereinbaren (bis zu 120 Tage für die Jahre 2010 und 2011 sowie bis zu 90 Tage für das Jahr 2012). Damit sind in diesem Bereich zumindest vorübergehend unterschiedliche Zahlungsfristen zwischen Unternehmen und Verwaltung sowie zwischen Unternehmen und Subunternehmern möglich. Aber auch für diese Unternehmen wird ab dem 01. Januar 2013 die allgemeine Zahlungsfrist von 60 Tagen gelten.
Für den Bereich der öffentlichen Verwaltung gelten die nachfolgenden Übergangsfristen: Für das Jahr 2010 wird ein maximales Zahlungsziel von 55 Tagen festgelegt; für das Jahr 2011 von 50 Tagen und für das Jahr 2012 von 40 Tagen. Ab dem 01. Januar 2013 wird die regelmässige Zahlungsfrist von 30 Tagen Anwendung finden.
Für den Fall des Zahlungsverzuges und Nichtbeachtung der erwähnten Zahlungsfristen wird auch weiterhin der bisherige Verzugszinssatz von 7 Prozentpunkten über dem Zinssatz der Europäischen Zentralbank für die letzte Hauptrefinanzierungsoperation gelten. Die Kostenerstattung für die Zahlungsverfolgung bei Zahlungsverzug bleibt auf 15% der Hauptforderung beschränkt, bzw. maximal auf die Höhe der Hauptforderung bei Forderungen unter € 30.000,00. Neu ist, dass die Unternehmen zukünftig im Geschäftsbericht über ihre Zahlungszeiten an Lieferanten zu berichten haben. Obwohl sich diese Information eigentlich bereits mittelbar aus der Bilanz ergibt, wird dies zukünftig weitere Transparenz zum Zahlungsverhalten eines Unternehmens schaffen. Zur Kontrolle der Einhaltung der Zahlungsfristen bei der öffentlichen Verwaltung, haben die lokalen Behörden im Übrigen ein Register einzurichten, in welchem alle eingehenden Rechnungen zu verzeichnen sind. Auf Nachfrage der Aufsichtsbehörde ist Auskunft über den Sachstand und die Zahlungen zu erteilen, um die notwendigen Massnahmen bei Nichtbeachtung veranlassen zu können.
Die Reform greift ähnlichen Überlegungen auf europäischer Ebene vor; in Anbetracht der langen Übergangszeiten wird die branchenübergreifend erwartete Reform aber wohl zu spät kommen. Im Übrigen bleibt abzuwarten, ob der planwirtschaftliche Ansatz der Reform, die tief in die Privatautonomie der Parteien eingreift, den gewünschten Erfolg hat und den Zahlungsverzug wirklich bekämpfen kann, denn letztlich wird mit der Reform das eigentliche Problem – die Liquiditätsprobleme der zahlungsunfähigen Schuldner in Wirtschaft und Verwaltung aufgrund des Auftragsrückgangs- nicht unmittelbar angegangen.
Die Reform des Massnahmengesetzes gegen den Zahlungsverzug ist am 07. Juli 2010 in Kraft getreten und gilt für alle Vereinbarungen, die ab diesem Datum abgeschlossen werden.
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