Das Modell 720 am Scheideweg Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs fällt diesen Monat

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber sie mahlen. Der Europäische Gerichtshof wird sein lange erwartetes Urteil zu dem umstrittenen Modell 720 rechtzeitig vor dem nächsten Abgabetermin Ende März am 27. Januar diesen Jahres fällen.

Was ist das Modell 720?

Das Modell 720 ist eine Informationserklärung. Danach haben in Spanien Ansässige dem spanischen Fiskus bestimmte im Ausland befindliche Vermögenswerte zu melden. Dazu gehören Auslandskonten, Wertpapiere, bestimmte Versicherungen, Leibrenten, Immobilien und Rechte an solchen. Im Baskenland sind zudem Edelmetalle, Kunstgegenstände, Kraftfahrzeuge, Yachten und andere bewegliche oder registrierte Vermögensgegenstände zu melden. Die Meldung ist einmal jährlich bis Ende März zu prüfen.

Warum wurde das Modell 720 eingeführt?

Die Erklärung ergänzte im Jahr 2012 die damalige Steueramnestie. Bildlich gesprochen war sie der Prügel, der die Steuerpflichtigen in die Amnestie trieb. Die Amnestie wurde später vom spanischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt; das Modell 720 blieb.

Warum ist diese Erklärung so umstritten?

Über das Modell 720 ließe sich viel sagen. Die Erklärung wirkt schlicht; in Wirklichkeit ist sie komplex und aufwendig. Das eigentliche Problem sind aber die harten Sanktionen, falls gegen die Meldepflicht verstoßen wird.

Welche Folgen hat ein Verstoß?

Bei einem Verstoß gegen die Meldepflicht sieht das Gesetz verschiedene Rechtsfolgen vor.

Der Verstoß wird zunächst mit einer pauschalen Geldbusse von € 5.000 für jeden Datensatz, der nicht, nicht vollständig oder fehlerhaft gemeldet wird, aber mindestens mit einer Geldbusse von € 10.000 pro Vermögenskategorie geahndet.

Beispiel: Ein Konto im Ausland mit einem Saldo von € 100.000 wird nicht gemeldet. Da bei einem Konto fünf Pflichtdaten zu melden sind, beläuft sich die Geldbusse alleine infolge der Nichtmeldung auf € 25.000,00.

Gravierender ist allerdings, dass die nicht gemeldeten Werte zudem steuerlich als nicht gerechtfertigter Vermögenszuwachs (ganancia patrimonial no justificada) behandelt werden, also als Einkünfte. Diese werden der letzten nicht verjährten Einkommenssteuererklärung hinzugefügt und nachversteuert, was praktisch auf eine Unverjährbarkeit der Nachforderung hinausläuft. Danach ist es sogar möglich, eine eigentlich bereits eingetretene Verjährung wieder zu verlieren.

Beispiel: Um bei dem vorhergehenden Beispiel zu bleiben, werden die € 100.000 infolge der Nichtmeldung als Einkünfte behandelt, die praktisch unverjährbar nachversteuert werden können. Das gilt sogar dann, wenn für das Steuerjahr, aus dem die vermeintlichen Einkünfte stammen, eigentlich bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass es sich um versteuerte Gelder handelte oder diese aus einer Zeit stammen, in der er nicht in Spanien einkommenssteuerpflichtig war. Das klingt einfach; ist in der Praxis aber oft sehr schwierig.

Als ob dies nicht genug wäre, wird außerdem auf die Nachforderung eine proportionale Geldbusse von 150 Prozent fällig.

Und das sind nur die steuerlichen Folgen, denn die Zuwiderhandlung kann auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Eine fatale Kombination.

Kann nicht nachgemeldet werden?

Nach der gesetzlichen Regelung ist eine freiwillige Nachmeldung möglich. In diesem Fall wird die pauschale Geldbusse auf € 100 pro Datensatz, aber mindestens € 1.500 pro Vermögenskategorie verringert.

Beispiel: Bei dem genannten Beispiel kann man daher auf diese Weise die pauschale Geldbusse von € 25.000 auf € 1.500 reduzieren.

Dies klingt verlockend. Problematisch ist allerdings, dass auch bei einer freiwilligen Nachmeldung alle restlichen Folgen, also die Nachversteuerung, die Unverjährbarkeit und die proportionale Geldbusse von 150 Prozent grundsätzlich weiter gelten. Nach Auffassung des spanischen Fiskus soll zwar bei einer einer freiwilligen Nachversteuerung die Geldbusse von 150 Prozent entfallen; gesetzlich verankert ist dies aber nicht. Dies ist im Gegenteil sehr einzelfallabhängig.

Die Rechtsfolgen eines Verstoßes ergeben daher einen gefährlichen Cocktail und übersteigen schnell den Wert des meldepflichtigen Vermögensgegenstands. Dabei ist der Weg zurück in die Legalität dornig und muss gut geplant werden. Andernfalls kann dies im schlimmsten Fall auf den steuerlichen Selbstmord hinauslaufen. Und das nur, weil eine Information nicht mitgeteilt wurde.

Was ist bislang geschehen?

Das Modell 720 stieß von Anfang an auf enorme Kritik. Nicht wenige sehen die Folgen bei einem Verstoß als unverhältnismäßig und daher verfassungs- und europarechtswidrig an. Die nationalen Gerichte tendieren allerdings bislang dazu diese Frage zu umschiffen und die Folgen des Modells 720 im Einzelfall über formelle Aspekte bei der Veranlagung abzufedern.

Im Oktober 2015 wurde die Europäische Kommission tätig und mahnte Spanien an. Dabei stellt die Kommission das Modell an sich nicht in Frage; sieht aber in den Folgen einer Zuwiderhandlung eine unverhältnismäßige Beschränkung praktisch aller europäischen Grundfreiheiten, aber vor allem der Kapitalverkehrsfreiheit.

Nachdem Spanien keine Abhilfe leistete, leitete die Kommission im Februar 2016 ein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien ein, das im Oktober 2019 in die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof mündete (Rechtssache C-788/19).

Anders als die baskische Region Gipuzkoa, die historisch ihre eigene Steuerverwaltung hat und im Frühjahr 2021 die harten Sanktionen für ihren Bereich in Anbetracht der sich häufenden Entscheidungen der spanischen Gerichte gegen das Modell 720 und der Klage der Europäischen Kommission deutlich absenkte, war Spanien hierzu nie bereit.

Der Generalanwalt legte im Juli 2021 seine Schlussfolgerungen vor. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs wurde für den 27. Januar dieses Jahres angekündigt.

Was sagt der Generalanwalt?

Der Generalanwalt folgt der Europäischen Kommission nur zum Teil. Seine Ausführungen brachten daher Hoffnung; sorgten aber auch für Ernüchterung.

Die zentrale Frage dreht sich dabei um die Verhältnismäßigkeit der einzelnen Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen die Meldepflicht. Deren Grenzen sieht der Generalanwalt bei den pauschalen Geldbussen für überschritten an, weshalb er diese für europarechtswidrig erachtet und zwar unabhängig vom meldepflichtigen Vermögensgegenstand.

Bei den restlichen Folgen, also der Vermutung, dass es sich bei einem Verstoß um ungerechtfertigte Vermögenszuwächse handelt, die praktisch unverjährbar nachversteuert und mit einer proportionalen Geldbusse von 150 Prozent geahndet werden können, differenziert dagegen der Generalanwalt. Eine Unverhältnismäßigkeit und damit einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erkennt er nur mit Blick auf neue Bankkonten; nicht dagegen bezüglich der restlichen Vermögenswerte. Gemeint sind damit Finanzkonten, die ab dem 01. Januar 2016 im Ausland eröffnet wurden.

Die unterschiedliche Behandlung begründet der Generalanwalt mit den Regelungen zum automatischen Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Dieser sei für neue Bankkonten ausreichend ausgestaltet, weshalb Spanien auch nur insoweit in der Lage sei, ohne das Modell 720 die zur richtigen Festsetzung des Steuerbetrages erforderlichen Informationen zu erhalten. Die Schlussfolgerungen des Generalanwalts scheinen aber auch dem Umstand geschuldet zu sein, dass die Klage der Kommission sehr knapp gehalten ist.

Sind die Ausführungen des Generalanwalts verbindlich?

Der Europäische Gerichtshof ist nicht an die Ausführungen des Generalanwalts gebunden. Dessen ungeachtet stellen sie eine wichtige Meinung dar, denen der Gerichtshof nicht selten folgt.

Es bleibt also spannend, wie der Europäische Gerichtshof entscheiden wird. Das Ergebnis werden wir in Kürze erfahren.

© 2022 Andreas Fuss Advocat & Rechtsanwalt

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