Erstbezugserlaubnis und die Nutzung der Immobilie

Bei einem Immobilienerwerb ist vieles zu beachten. Dazu gehört auch die Erstbezugserlaubnis (licencia de primera ocupación), deren Bedeutung häufig unterschätzt wird, sei dies aus Unkenntnis, sei dies weil es sich hierbei um eine Unterlage handelt, die zum Erwerb einer Immobilie nicht notwendigerweise dem Notar vorzulegen ist.

Zu was dient die Erstbezugserlaubnis?

Die Erstbezugserlaubnis dient der behördlichen Genehmigung des ersten Bezuges und Nutzung einer Immobilie, unabhängig davon, ob diese neu errichtet wurde oder nach dem Erstbezug eine Nutzungsänderung erfahren hat. In letzterem Fall ist deshalb die Erstbezugserlaubnis neu auszustellen.

Die Regelung der Erstbezugserlaubnis ist Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften, die den deutschen Bundesländern ähneln. Es gibt deshalb regionale Unterschiede. Allen Regelungen ist aber gemein, dass die Genehmigung zeitlich unbefristet und Voraussetzung der Nutzung des Gebäudes ist. In den meisten Autonomen Gemeinschaften ist die Erstbezugserlaubnis weiter Voraussetzung für die Anmeldung von Strom, Wasser und Gas. In manchen Autonomen Gemeinschaften wie z.B. Galizien macht sie die Bewohnbarkeitsbescheinigung (cédula de habitabilidad) überflüssig; in anderen wie z.B. Valencia ist die Erstbezugserlaubnis Voraussetzung für die Veräusserung oder Vermietung der Immobilie. Die behördliche Genehmigung ist deshalb massgebliche Voraussetzung, um die neu erworbene Immobilie überhaupt nutzen zu können.

Was wird geprüft?

Bei der Beantragung wird von der zuständigen Behörde geprüft, ob die Auflagen der Baugenehmigung erfüllt wurden und das Gebäude in seiner Endausführung mit dem ursprünglich eingereichten Bauvorhaben übereinstimmt. Des Weiteren wird bei der Erteilung geprüft, ob das Gebäude zu dem angegebenen Zweck genutzt werden kann und die obligatorischen städtebaulichen sowie Sicherheits- und Gesundheitsauflagen erfüllt. Ist dies nicht der Fall, wird die Ausstellung der Erlaubnis verweigert, was in der Regel faktisch dazu führt, dass kein Strom, Wasser, Gas oder Telefon beantragt und die Immobilie nicht genutzt werden kann. Die Nutzung der Immobilie ohne Erstbezugserlaubnis kann mit Geldbusse belegt werden und im schlimmsten Fall zur Nutzungsuntersagung führen.

Was passiert, wenn die Erlaubnis nicht eingeholt wird?

Trotzdem ist nicht selten zu beobachten, dass Immobilien ohne Erstbezugserlaubnis übergeben, veräussert oder vermietet werden. Während der Immobilienblase des letzten Jahrzents und in Zeiten masslosen Gewinnstrebens wurden vielerortens Immobilien errichtet, ohne auf die Einhaltung der städtebaulichen oder bauordnungsrechtlichen Vorgaben allzuviel Zeit zu verschwenden. Dies kann zu erheblichen Problemen bis zur Unnutzbarkeit der Immobilie führen, da die Verstösse oftmals nicht oder nur unter erheblichen Mehrkosten behoben werden können. In manchen Fällen sind die Inhaber dazu verdammt, auf Jahre ohne legalen Strom, Wasser, Gas und einen telefonischen Festnetzanschluss auszukommen und die Immobilie nur mit dem Risiko einer behördlichen Nutzungsuntersagung nutzen zu können.

Wer ist zur Beantragung der Erlaubnis verpflichtet?

Die Erfüllung der Voraussetzungen zur Erteilung der Erstbezugserlaubnis obliegt dem Bauträger. Wie mehrfach in der Rechtssprechung festgestellt, berechtigt die Übergabe des errichteten Gebäudes ohne Erstbezugserlaubnis zur Vertragskündigung und Rückerstattung der gezahlten Anzahlungen. Daneben sind Schadensersatzzahlungen denkbar. Nachdem die Immobilienblase aber geplatzt ist und in der Baubranche der Konkurs grassiert, hilft aber eine Vertragskündigung nicht immer weiter, denn was nutzt ein Rückzahlungsanspruch, wenn dieser nicht vollstreckt werden kann? Und selbst wenn dies der Fall ist, ist in vielen Fällen der Traum von einem Platz an der Sonne geplatzt.

Es sollte deshalb bereits bei Abschluss des Kaufvertrages beachtet werden, dass nach Abschluss der Bauarbeiten stets die Erstbezugsgehmigung vorgelegt wird und andernfalls der Vertrag unter Zahlung einer Vertragsstrafe aufgelöst werden kann. Es sollte auch immer ein bedeutender Teil des Kaufpreises bis zur Vorlage der Erstbezugserlaubnis zurückgehalten werden.

Was ist sonst zu beachten?

Es sollte weiter beachtet werden, dass beim Kauf einer bereits errichteten Immobilie der Eintrag des Neubaus im Eigentumsregister nicht notwendigerweise bedeutet, dass auch die Erstbezugserlaubnis vorliegt. Der Notar ist bei Errichtung der Neubauerklärung nicht verpflichtet, die Vorlage der Erstbezugserlaunis zu verlangen. Bestehen Sie deshalb auch bei einem Erwerb stets auf Vorlage dieser Unterlage und prüfen Sie, was Sie kaufen. Lassen Sie sich ausserdem die in den meisten Autonomen Gemeinschaften obligatorische und zusätzlich erforderliche Bewohnbarkeitsbescheinigung (cédula de habitabilidad) vorlegen. Entgegen weitverbreiteter Auffassung ist z.B. ein ‚Studio’ (estudio) keine Wohnung (vivienda) und damit offiziel nicht als solche bewohnbar. Und letztlich versichern Sie sich, ob Strom, Wasser, Gas und Telefon auch tatsächlich ordnungsgemäss angemeldet und angeschlossen sind. Andernfalls ist sehr wahrscheinlich, dass keine Erstbezugserlaubnis und/oder Bewohnbarkeitsbescheinigung vorliegt.

Bei dem Erwerb einer Immobilie in Spanien sollte stets ein gesundes Misstrauen an den Tag gelegt und fachmännischer Rat eingeholt werden. Es sind einfach zu oft Unregelmässigkeiten festzustellen, die den Obulus einer ersparten Beratung in den seltesten Fällen rechtfertigen. Vorsorge ist immer besser als Nachsorge.

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