Mit Urteil vom 17. Oktober 2013 erklärte der Europäische Gerichtshof (Az. C-181/12) die deutsche Regelung der persönlichen Freibeträge bei beschränkter Erbschaftssteuerpflicht für unvereinbar mit europäischen Recht. Diese Entscheidung wirkt sich auch auf Erbfälle mit Spanienbezug aus.
Geklagt hatte ein Schweizer Staatsangehöriger, der von seiner Ehefrau unter anderem ein Grundstück in Deutschland geerbt hatte. Seine ursprünglich in Deutschland geborene Ehefrau nahm nach der Heirat mit dem Kläger die schweizerische Staatsangehörigkeit an und lebte mit ihrem Ehemann bis zu ihrem Ableben in der Schweiz, wo sie weiteres Vermögen hatte.
Da beide – die Erblasserin und ihr Ehegatte – ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten, war der Kläge als Erbe in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig. Folgerichtig veranlagte das deutsche Finanzamt nur die Immobilie in Deutschland zur deutschen Erbschaftssteuer. Nach § 16 Abs. 2 deutsches Erbschaftssteuergesetz reduziert sich in diesem Fall allerdings der Steuerfreibetrag des Ehegatten auf € 2.000, weshalb ein bedeutender Steuerbetrag zu entrichten war. Bei einem Wohnsitz in Deutschland hätte dem Kläger dagegen ein Freibetrag von € 500.000 zugestanden und die Erbschaft wäre steuerfrei geblieben. Gegen diese Ungleichbehandlung wandte sich der Kläger vor dem Ausgangsgericht, welches das Verfahren aussetzte und die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorlegte.
Bereits einige Jahre vorher hatte der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit verstosse, wenn Schenker und Beschenkter ihren Wohnsitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben (Az. C-510/08 Vera Mattner). In dem nun ergangenen Urteil bestätigt der Europäische Gerichtshof diese Rechtssprechung auch für Sachverhalte, in denen der Erblasser und Erbe ihren Wohnsitz in einem Drittland wie der Schweiz haben; der Nachlass sich aber in einem Mitgliedstaat der EU befindet. Danach verstösst eine nationale Regelung gegen Art. 56 Abs. 1 EG, die für den gebietsfremden Erben, der in einem Drittland lebt, einen geringeren Steuerfreibetrag vorsieht, als wenn einer der beiden Personen – Erblasser oder Erbe – zum massgeblichen Zeitpunkt ihren Wohnsitz in dem EU-Mitgliedstaat gehabt hätten. Die Ungleichbehandlung zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden sei auch nicht als Direktinvestition oder aus anderen Gründen gerechtfertigt.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof bezieht sich auf einen Erbfall aus Jahr 2009. Zwischenzeitlich hatte der deutsche Gesetzgeber mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz beschränkt erbschaftssteuerpflichtigen Erben ab Dezember 2011 die Möglichkeit eingeräumt, in Deutschland zur unbeschränkten Erbschaftssteuerpflicht zu optieren, um so in den Genuss der höheren Freibeträge zu kommen. Allerdings geht diese Optionsmöglichkeit der Europäischen Kommission nicht weit genug und ist ihrerseits Gegenstand eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof. Im Ausgangsfall würde diese Option ausserdem nicht weiterhelfen, da die Schweiz nicht wie erforderlich das Abkommen zum Europäischen Wirtschaftsraum unterzeichnet hat.
Der deutsche Gesetzgeber wird daher nicht umher kommen, die Bestimmungen zu den Freibeträgen neu zu fassen. Die Bedeutung der aktuellen Entscheidung weist aber hierüber hinaus. Mit seinem Urteil bricht der Europäische Gerichtshof die Ungleichbehandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden bei der Erbschaftssteuer weiter auf; eine Frage, die aktuell auch Gegenstand eines Verfahrens gegen Spanien vor dem Europäischen Gerichtshof ist.
Das Urteil verspricht daher sowohl Besserung für in Spanien oder Drittländern ansässige Erben, die in Deutschland der beschränkten Erbschaftssteuerpflicht unterliegen, als auch für in Spanien nicht ansässige Erben mit dort befindlichem Nachlass. Beides ist zu begrüssen.
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