Mit Urteil vom 03. September 2014 (Rs. C-127/12) hat der Europäische Gerichtshof die spanische Regelung zur Erbschafts- und Schenkungssteuer wegen der Diskriminierung von Nicht-Residenten für europarechtswidrig erklärt. Die Entscheidung, die nicht unerwartet kommt, wirkt sich direkt auf Erbschaften und Schenkungen mit Bezug zu Spanien aus.
Ungleichbehandlung von Residenten und Nicht-Residenten
Die Erbschafts- und Schenkungssteuer ist in Spanien nicht einheitlich geregelt. Die Regelungen finden sich grundsätzlich im spanischen staatlichen Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 29/1987 vom 18. Dezember, das nur sehr geringe oder gar keine Freibeträge vorsieht.
In wichtigen Bereichen wurde allerdings in Spanien den Autonomen Gemeinschaften die Zuständigkeit und Regelungskompetenz übertragen. Dies betrifft insbesondere die Regelung der Steuerfreibeträge und -tarife. Die meisten der 17 Autonomen Gemeinschaften haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und bedeutende Steuervergünstigungen verabschiedet. In einigen Autonomen Gemeinschaften wurde die Erbschaftssteuer für die nächsten Familienangehörigen sogar praktisch abgeschafft, was innerhalb Spaniens zu einem regelrechten Erbschaftstourismus führte.
Die Anwendung dieser autonomen Steuervergünstigungen hängt allerdings von bestimmten Anknüpfungspunkten ab, die dazu führten, dass bei Erbschaften oder Schenkungen, bei denen in Spanien Nicht-Ansässige beteiligt waren, die autonomen Vergünstigungen regelmässig keine Anwendung fanden. Im Endergebnis schlug sich dies in einer deutlich höheren Steuerbelastung nieder, da sich in diesen Fällen die Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer ausschliesslich nach der in aller Regel ungünstigeren staatlichen Regelung richtete. Hiergegen wandte sich die Europäische Kommission, die im Jahr 2012 gegen Spanien Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhob, nachdem Spanien der Aufforderung, dieser Ungleichbehandlung abzuhelfen, keine Folge leistete.
Was hat der Europäische Gerichtshof entschieden?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) folgt in seinem Urteil im Wesentlichen der Klage der Europäischen Kommission und erkennt in der Ungleichbehandlung zwischen Residenten und Nicht-Residenten einen willkürlichen Verstoss gegen die in den europäischen Verträgen verankerte Kapitalverkehrsfreiheit. Konkret stellt der EuGH fest, dass Unterschiede in der steuerlichen Behandlung von Schenkungen und Erbschaften zwischen in Spanien ansässigen und gebietsfremden Rechtsnachfolgern und Beschenkten, zwischen in Spanien ansässigen und gebietsfremden Erblassern sowie zwischen Schenkungen und ähnlichen Verfügungen über in Spanien und ausserhalb Spanien belegenes unbewegliches Vermögen einen Verstoss gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellen. Die entgegenstehenden spanischen gesetzlichen Bestimmungen sind daher europarechtswidrig und nichtig.
Wen betrifft diese Entscheidung?
Die Entscheidung betrifft zunächst alle nicht in Spanien ansässigen (beschränkt steuerpflichtigen) Erben und Beschenkte, die in Spanien belegene Vermögenswerte durch Erbschaft oder Schenkung erwerben. In vielen Fällen wird es hierbei um den Erwerb von Immobilien in Spanien gehen, wobei sich die Entscheidung allerdings nicht auf Grundvermögen beschränkt. Das Urteil erfasst hierbei ausdrücklich alle in Spanien Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Lichtenstein und Norwegen). Ohne dies ausdrücklich festzustellen wird sich das Urteil vom Grundsatz her aber auch auf Steuerpflichtige mit Wohnsitz in einem Drittstaat auswirken, da nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die gemeinschaftsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit auch diese schützt. Dies bedeutet, dass die Entscheidung auch auf in der Schweiz lebende Steuerpflichtige ausstrahlt.
Des Weiteren kann das Urteil alle in Spanien ansässigen (unbeschränkt steuerpflichtigen) Erben und Beschenkte betreffen, sofern der Erblasser nicht in Spanien ansässig ist oder die geschenkte Immobilie nicht in Spanien liegt; dies bereits deshalb da Spanien gezwungen sein wird, die Bestimmungen zur Erbschaftssteuer anzupassen.
Welche Folgen hat diese Entscheidung?
Spanien wird seine gesetzlichen Bestimmungen anpassen müssen, konkret die Bestimmungen zur Verteilung der Zuständigkeiten und Anwendung der autonomen Steuervergünstigungen. Die spanische Regierung bereitete bereits vor dem Urteil eine umfangreiche Steuerreform vor, wobei die Anpassung der Bestimmungen zur Erbschafts- und Schenkungssteuer zunächst ausgespart wurde, um das Verhältnis zu den Autonomen Gemeinschaften nicht zu belasten. Nach dem Urteil des EuGH wird dies allerdings kaum mehr möglich sein. Mit einer Anpassung dürfte daher in Kürze zu rechnen sein.
Das Urteil selbst liefert hierzu allerdings keine Vorgaben, wenn auch im Vorfeld bereits konkrete Vorschläge vorlagen, die auf auf eine starke Vereinfachung der Erbschafts- und Schenkungssteuer abzielen. Grob zusammengefasst bestehen diese Vorschläge darin, die Freibeträge bei gleichzeitiger Vereinfachung und Senkung der Tarife deutlich abzubauen sowie den Autonomen Gemeinschaften eine Spanne vorzugeben, innerhalb welcher sich diese bewegen können. Im Endergebnis könnte dies darauf hinauslaufen, dass in einigen Autonomen Gemeinschaften mit traditionell hohem Steuerniveau (z.B. Andalusien) die Steuerbelastung sinken wird; in anderen Autonomen Gemeinschaften dagegen, welche die Erbschaftssteuer praktisch abgeschafft (z.B. Madrid, Valencia, Balearen) oder doch zumindest stark reduziert hatten (z.B. Katalonien) das Steuerniveau anziehen wird. Verbindlich sind diese Vorschläge allerdings nicht und die Entwicklung bleibt abzuwarten.
Laufende Erbschaften und Schenkungen sowie deren Planung sollten allerdings mit Blick auf diese Entwicklung genau abgewogen werden, da sich durch das Urteil einige Unsicherheiten ergeben, wie z.B. die Umsetzung der Nicht-Diskriminierung genau erfolgen soll. Insoweit bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
Können zuviel gezahlte Steuern zurückgefordert werden?
Zuviel gezahlte Steuern können von den Betroffenen zumindest dem Grunde nach vom spanischen Finanzamt zurückgefordert werden.
Die Vorgehensweise und das Voraussetzungen hängen von der Veranlagungsart ab. Bei der sehr häufigen Selbstveranlagung (autoliquidación) kommt ein entsprechender Erstattungsantrag innerhalb einer Verjährungsfrist von bis zu vier (4) Jahren nach Ablauf der entsprechenden Erklärungsfrist in Betracht.
Selbst wenn keine Erstattung wegen Verjährung in Betracht kommen sollte, kann unter Umständen ein Staatshaftungsanspruch gegen den spanischen Staat bestehen. Die Frist beläuft sich insoweit auf ein (1) Jahr ab Veröffentlichung des Urteils. Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass sich auch insoweit einige Unsicherheiten auftun, da man sich auch auf den Standpunkt stellen kann, dass nach dem Urteil wegen der Rückwirkung des Urteils eine Verjährung des Rückzahlungsanspruchs überhaupt nicht eintreten kann.
Bei bereits erfolgten Erbschaften und Schenkungen sollte eine Rückforderung daher zeitnah geprüft werden. Die Erstattung hängt allerdings von einer Reihe von Faktoren abhängt, die im Moment zum Teil noch unklar sind. Der Antrag auf Rückerstattung kann auch zu Nachprüfungen führen. Vor einer Rückforderung sollte daher stets eine sorgfältige, einzelfallbezogene Prüfung erfolgen, wobei mögliche Verjährungen im Auge behalten werden müssen.
Mit dem lang erwarteten Urteil beendet der Europäische Gerichtshof endlich die eklatante Ungleichbehandlung von Residenten und Nicht-Residenten in Spanien. Damit setzt der Europäische Gerichtshof seine mittlerweile umfangreiche Rechtsprechung zum Abbau der Ungleichbehandlung zwischen Residenten und Nicht-Residenten bei Erbschaften und Schenkungen fort und bereitet den Weg für eine zuverlässigere Planung von Erbschaften und Schenkungen. Insoweit sind zwar noch einige Steine aus dem Weg zu räumen, was aber eine Frage der Zeit ist.
© 2014 Andreas Fuss Abogado & Rechtsanwalt · Rechtliche Hinweise · Kontakt