Mit dem Gesetz 14/2013 vom 27. September zur Unterstützung der Unternehmer und ihrer Internationalisierung verabschiedet der spanische Kongress wohl eines der emblematischsten Projekte der Regierung Rajoy. Erklärtes Ziel der Reform ist die branchenübergreifende Förderung von Selbständigen und Unternehmen, insbesondere beim Beginn ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Die Reform erfasst zahlreiche Einzelaspekte der unternehmerischen Tätigkeit. Die wesentlichen Neuerungen, die in Einzelbeiträgen näher zu beleuchten bleiben, sollen im nachfolgenden kurz vorgestellt werden.
Schaffung einer Kultur des Unternehmertums
Die Reform setzt nicht beim ‚fertigen‘ Unternehmer an, sondern bereits bei dessen Ausbildung in Schule und Universität. Danach sollen unternehmensspezifische Themen in die Lehrpläne aufgenommen, die Lehrkörper geschult und den Schülern und Studenten die Gelegenheit gegeben werden, anhand von ‚Miniunternehmen‘ unternehmerische Projekte in die Realität umzusetzen.
Förderung der Initiative von Unternehmen
Darüber hinaus soll die unternehmerische Initiative besonders beim Beginn der Tätigkeit gefördert werden. Hierzu zählen z.B. die folgenden Massnahmen:
Vergünstigungen bei der Sozialversicherung. Bei Beginn einer selbständigen Tätigkeit werden über einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren Nachlässe auf die Sozialversicherungsbeiträge gewährt: In den ersten sechs Monaten wird ein Nachlass von 80%, in den darauffolgenden sechs Monaten von 50% und in den letzten sechs Monaten von 30% gewährt. Die monatlichen Beiträge liegen damit bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit deutlich unter den normalen Sätzen und ausgehend von einem Mindestbeitrag von € 256,72 im Jahr 2013 zwischen € 75,00 und € 170.
Einführung der Figur des ‚Unternehmer mit beschränkter Haftung‘ (Emprendedor de Responsabilidad Limitada). Selbständige haften grundsätzlich mit ihrem persönlichen Vermögen. Die neue Rechtsfigur erlaubt Selbständigen ihre gewöhnliche Wohnung von der Haftung für die Verbindlichkeiten aus der selbständigen Tätigkeit auszunehmen ohne eine Gesellschaft zwischenzuschalten.
Erleichterungen bei der Gesellschaftsgründung. Es wird die GmbH mit sukzessiver Gründung (Sociedad Limitada de Formación Sucesiva) eingeführt. Hierbei handelt es sich nicht um eine neue Rechtsform, sondern um existenzgründerfreundliche Variante der spanischen SL. Die SLFS ist der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft in Deutschland nachempfunden und erlaubt Gründungen mit einem geringeren Stammkapital als dem gesetzlich vorgesehenen Mindestkapital von € 3.000. Im Gegenzug werden Gewinnausschüttungen und Vergütungen der Gesellschafter und Geschäftsführer beschränkt, solange das gesetzliche Mindestkapital der gewöhnlichen GmbH nicht erreicht wird. Daneben soll die Gründung mit Mustervorlagen und elektronischem Informationsaustausch vereinfacht werden, wobei bereits vorhandene Ansätze weiterentwickelt werden.
Reform des Konkursrechts. Bei Insolvenzen werden aussergerichtliche Vereinbarungen von Unternehmen mit den Gläubigern flexibler ausgestaltet, wobei Abschläge bis zu 25% und Zahlungsaufschübe bis zu drei Jahren zulässig sind.
Steuerliche Vergünstigungen für Unternehmer
Die Massnahmen werden durch eine Reihe von steuerlichen Vergünstigungen flankiert. Hierzu zählen unter anderem:
Optionsmöglichkeit zur Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer (criterio de IVA de caja). Bislang war die Umsatzsteuerschuld stets auf ausgestellte Rechnungen abzuführen. Diese Soll-Besteuerung belastete nicht selten die Liquidität von Unternehmen und Selbständigen. Die Reform kommt nun langjährigen Forderungen nach und erlaubt Selbständigen und kleineren Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen die Option zur Ist-Besteuerung. Damit wird es dem Unternehmer zukünftig möglich sein, die Umsatzsteuer erst nach Geldeingang an das Finanzamt abführen.
Reduzierung der Körperschaftssteuer bei der Re-Investition von Erträgen. Für kleinere und mittlere Unternehmen wird der Steuersatz um 10% reduziert, sofern diese ihre Erträge in das Unternehmen reinvestieren, anstatt sie an die Gesellschafter auszuschütten. Im Endergebnis wird damit ein superreduzierter Körperschaftssteuersatz von 15% eingeführt.
Hilfen bei Forschung und Entwicklung für Unternehmen mit geringen Gewinnen oder Verlusten. Der bisherige steuerliche Rahmen erlaubte Abzüge im Zusammenhang mit Betriebsausgaben zur Forschung und Entwicklung nur Unternehmen mit einem bestimmten Ertragsniveau. Zukünftig werden unter bestimmten Voraussetzungen auch Unternehmen mit geringen Gewinnen oder Verlusten vom Finanzamt einen Ausgleich von bis zu 3 Mio. € erhalten können.
Steuervergünstigungen für Investoren von Start-ups. Danach können private Investoren, die in Start-ups investieren, bis zu 20% des investierten Betrages bei der Steuer geltend machen. Gewinne bleiben steuerfrei, sofern sie innerhalb eines Zeitraums von höchstens 12 Jahren anfallen und in eine andere Gesellschaft reinvestiert werden.
Unterstützung bei der Expansion und Umsetzung unternehmerischer Projekte
Unter dieser Rubrik ist vor allem der angestrebte Abbau von bürokratischen Hürden zu erwähnen. Danach sollen statistische Pflichten für Unternehmer reduziert, Erleichterungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes gewährt oder die Nutzung elektronischer Medien (elektronische Bevollmächtigen, elektronische Protokollbücher für die Arbeitsinspektion) ausgeweitet werden. Allgemein sollen Zuständigkeiten konzentriert und Beratungsstellungen eingerichtet werden. Der gesetzliche Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit soll Gegenstand regelmässiger Prüfung sein, um bürokratische Hürden bei der unternehmerischen Tätigkeit möglichst zu vermeiden.
Darüber hinaus wird der Zugang von Selbständigen und Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen erleichtert. Unternehmer können sich gemeinsam mit anderen Unternehmern bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge bewerben (unión de empresas). Die Schwellenwerte, ab denen vorab eine besondere Qualifzierung erforderlich ist, werden auf € 500.000 bei Werkverträgen oder € 200.000 bei Dienstleistungen erhöht.
Internationalisierung der spanischen Wirtschaft
Zur Förderung der Internationalisierung spanischer Unternehmen sollen Pläne ausgearbeitet werden werden, um diesen bei ihren internationalen Projekten die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Dies umfasst Massnahmen zu ihrer Finanzierung.
Daneben soll dem ausländischen Unternehmer, Investor und Fachkräften der Zugang und der Aufenthalt in Spanien erleichtert werden. Hierzu zählen Massnahmen wie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Investitionen in einer bestimmten Höhe – mehr als € 2 Mio. in spanische Staatsanleihen oder von mehr als € 500.000 beim Kauf einer Immobilie – oder in unternehmerische Projekte in Spanien, die von öffentlichem Interesse sind. Daneben wird die internationale Mobilität bei der Arbeitnehmerentsendung vereinfacht.
Das Massnahmenpaket ist am 29. September 2013 in Kraft getreten. Einzelne Massnahmen werden allerdings stufenweise erst zeitlich verzögert in Kraft treten werden.
© 2013 Andreas Fuss Abogado & Rechtsanwalt · Rechtliche Hinweise · Kontakt
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