Die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens vereinfacht die grenzüberschreitende Forderungsverfolgung innerhalb der Europäische Union erheblich. Wie gewöhnlich sorgt die mangelnde Flexibilität des spanischen Verfahrensrechts allerdings für einige Stolpersteine, die bei der Beantragung eines Europäischen Zahlungsbefehls gegen einen in Spanien ansässigen Schuldner beachtet werden sollten.
Bei grenzüberschreitenden Verträgen innerhalb der EU, z.B. Warenlieferungen, der Erbringung von Dienstleistungen oder der Buchung einer Ferienwohnung innerhalb einer EU, ist es oftmals sehr schwierig an sein Recht und Geld zu kommen, sofern der Kunde seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt. Zu den sprachlichen Barrieren kommen Hindernisse wie hohe Kosten und die Unkenntnis der Rechtslage im anderen Land. Das Europäische Mahnverfahren ermöglicht in Anlehnung an das deutsche Modell des Mahnverfahrens eine rasche, kostengünstige und weitgehend standarisierte Beitreibung von Zahlungsforderungen im europäischen Raum. Auf Antrag des Gläubigers, der mit einem standarisierten Formblatt erfolgt, erlässt das Gericht nach einer kurzen Prüfung einen Europäischen Zahlungsbefehl. Legt der Anspruchsgegner gegen diesen Zahlungsbefehl keinen Einspruch ein, kann im Heimatland des Schuldners die Vollstreckung beantragt werden. Eine vorherige Anerkennung des Vollstreckungstitels entfällt.
Bei Schuldnern mit Sitz in Spanien sollte aber beachtet werden, dass Spanien als Verfahrenssprache der Vollstreckung nur Spanisch zulässt. Ein im Ausland ausgestellter Europäischer Zahlungsbefehl wird deshalb ohne Übersetzung seiner Bestätigung nicht einfach zur Vollstreckung zugelassen. Vielmehr gelten die allgemeinen Regeln zur Vollstreckung ausländischer Titel. Zur Vermeidung von weiteren Kosten ist deshalb zu empfehlen, das Europäische Mahnverfahren nach Möglichkeit in Spanien und nicht im Heimatland des Gläubigers zu beantragen. Damit entfällt auch das Erfordernis einer Überglaubigung der Bestätigung des Europäischen Zahlungsbefehls mit der Den-Haager-Apostille; ein Punkt, der in der Verordnung nicht ausdrücklich geregelt, nach spanischem Verfahrensrecht aber erforderlich ist. Bei Übersetzungen und Apostille kann es zu weiterem Aufwand kommen, der den Vorteil der standarisierten Geltendmachung schnell zunichte machen kann. Dies gilt gerade für geringwertige Forderungen.
Bei der Beantragung in Spanien sollte weiter beachtet werden, dass bei vielen Dingen das spanische Verfahrensrecht einen weit formalisterischen Ansatz als andere Rechtsordnungen verfolgt. Ist der Gläubiger daher eine Gesellschaft, sollte bei Antragsstellung die Vertretungsbefugnis der unterzeichnenden Person nachgewiesen werden. Andernfalls droht die Zurückweisung des Antrags. Der Nachweis erfordert wiederum beglaubigte Übersetzungen und Überglaubigungen. In vielen Fällen empfiehlt sich bereits deshalb die Beantragung über einen spanischen Rechtsanwalt.
Vorab sollte ausserdem immer die genaue Bezeichnung des Schuldners und dessen Adresse geprüft werden, um anschliessende Probleme bei der Vollstreckung zu vermeiden. Titelumschreibungen und Adressänderungen sind schwierig und aufwendig.
Des Weiteren besteht immer die Möglichkeit eines Widerspruchs des Schuldners gegen den Zahlungsbefehl und damit die Abgabe des Verfahrens an ein ordentliches Gericht. Bei Gesellschaften kann hierbei die Zahlung von Gerichtskosten erforderlich werden. Dies setzt den Besitz einer spanischen Steuernummer voraus, über die ausländische Gesellschaften in den wenigsten Fällen verfügen. Eine solche Steuernummer wird nicht automatisch erteilt, sondern ist separat zu beantragen, womit ein aus deutscher Sicht oftmals unverständlicher Aufwand verbunden ist, da dies wiederum Bevollmächtigungen, Übersetzungen und Beglaubigungen erforderlich macht. Sofern deshalb in solchen Fällen nicht von vornherein beantragt wird, die Sache bei Widerspruch nicht automatisch an das zuständige Gericht abzugeben, sollte in diesen Fällen der Antrag auf Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls vorzugsweise über einen in Spanien ansässigen Rechtsanwalt und Prokurator gestellt werden, dem gleichzeitig die Vollmacht erteilt wird, die Gerichtsgebühren abzuführen und gegebenenfalls die erforderliche Steuernummer einzuholen. Andernfalls kann es zu Fristversäumnissen oder Problemen bei der Einreichung der Klage kommen.
Ist darüber hinaus die Einleitung des Europäischen Mahnverfahren in Spanien am Sitz des Schuldners nicht möglich oder sinnvoll, z.B. weil eine Zuständigkeit der spanischen Gerichte nicht in Betracht kommt, sollte die Zustellung des Europäischen Zahlungsbefehls möglichst mit Zustellungsnachweis erfolgen. Zwar gilt grundsätzlich, dass der Schuldner gegen einen rechtskräftigen Europäischen Zahlungsbefehl keine Einwendungen mehr geltend machen kann, was auch bei Zustellungen ohne Zustellungsnachweis gilt. Bei dieser Art der Zustellung besteht aber nach der EU-Verordnung die Möglichkeit, dass der Schuldner unter bestimmten Umständen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen kann, was grundsätzlich zu vermeiden gilt.
Mit dem Europäischen Mahnverfahren hat die Europäische Union ein rasches, standarisiertes und kostengünstiges Verfahren zur Erlangung eines Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen geschaffen, das die grenzüberschreitende Forderungsverfolgung erheblich vereinfacht. Wenn dieses Bestreben in Spanien auch nur teilweise angekommen ist, wird allerdings auch dort bei Beachtung der oben genannten Stolpersteine die Verfolgung von Forderungen gegen in Spanien ansässige Schuldner weit unkomplizierter. Dies ist vor allem auf dem Hintergrund zu sehen, dass das inländische Mahnverfahren nach der spanischen Zivilprozessordnung keineswegs so komfortabel ausgestaltet ist wie das deutsche Mahnverfahren. Anders als bei einem spanischen Mahnbescheidsantrag, der mehr einer summarischen Klage als einem deutschen Mahnbescheid ähnelt, müssen z.B. dem Europäischen Zahlungsbefehl keine Rechnungen oder andere Unterlagen beigefügt werden. Des weiteren ist der Antrag der Höhe nach nicht begrenzt.
Bei Zweifeln bei der Beantragung des Mahnverfahrens sollten Sie aber vorher einen Rechtsanwalt konsultieren, um Probleme bei der Beantragung des Zahlungsbefehls oder späteren Vollstreckung zu vermeiden, die unnötige Kosten verursachen. Viele Fragen sind bereits nach kurzer Rücksprache abgestimmt.
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