Der Vertragshändler ist auch auf dem spanischen Markt eine häufig anzutreffende vertragliche Gestaltung zum Vertrieb von Waren. Eine der in diesem Zusammenhang für den Unternehmer wohl bedeutsamsten Fragen ist, ob der Vertragshändler nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen Anspruch auf Ausgleich für die geworbenen Kunden geltend machen kann. Solche Ansprüche können schnell die Höhe einer Jahresprovision erreichen und die Margen nachträglich zunichte machen.
Vertragshändler ist wer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als Händler eines Unternehmens dessen Waren erwirbt und an die Endkunden weiterverkauft. Der Vertragshändler unterscheidet sich deshalb vom Handelsvertreter, der den Warenabsatz und den Vertragsabschluss zwischen Exporteur und Kunden ‚nur’ vermittelt. Der Vertragshändler generiert seine Marge aus dem gewährten Wiederverkaufsrabatt, während der Handelsvertreter eine Kommission erhält.
Der Vertragshändlervertrag ist im spanischen Recht nicht besonders geregelt, wenn er auch bei bestimmten Wettbewerbsvorschriften Erwähnung findet. Dies ist auch der Grund, weshalb die Rechslage zu der Frage des Ausgleichsanspruchs für vermittelte Kunden bei Beendigung eines Vertragshändlervertrages keineswegs einheitlich beurteilt wird. Dies gilt sowohl für die Herleitung eines solchen Anspruchs wie für dessen Voraussetzungen und Berechnung. Vom Grundsatz kann aber gesagt werden, dass ein ein solcher Anspruch von der Rechtssprechung in Spanien zwischenzeitlich in ständiger Rechtssprechung anerkannt ist.
In einer Gesamtschau kommt nach der Rechtssprechung ein solcher Anspruch v.a. dann in Betracht, wenn sich der Vertragshändler nicht nur auf den Verkauf und Weiterverkauf von Waren beschränkt, sondern dem Unternehmen neue Kunden vermittelt, die diesem bei Vertragsende verbleiben und weiter Vorteile (= Umsatz) verschaffen. Oder anders ausgedrückt: Wenn sich der Vertragshändlervertrag oder Teile des vertraglichen Verhältnisses einem Handelsvertreterverhältnis annähern. Die Kriterien bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Ausgleichsanspruchs schwanken. Kurz zusammengefasst kommt ein solcher Anspruch unter den nachfolgenden Voraussetzungen in Betracht:
– Der Vertragshändler hat für das Unternehmen neue Kunden geworben und/oder die Geschäftsbeziehungen mit bestehenden Kunden wesentlich erweitert
– Das Unternehmen hat nach Vertragsbeendigung aus der Tätigkeit des Vertragshändlers weiterhin wesentliche Vorteile (= Kundenstamm verbleibt beim Unternehmen)
– Die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs entspricht der Billigkeit
Ähnlich wie in Deutschland wird hierbei v.a. dem letzten Punkt, d.H. der Billigkeit und Angemessenheit eines solchen Anspruchs besondere Bedeutung beigemessen. So wird beispielsweise berücksichtigt, ob die Vertragsbeendigung gerechtfertigt war; inwieweit die Erweiterung des Kundenstamms auf der Sogwirkung der Marke und/oder den Investitionen des Unternehmens, bzw. der Tätigkeit des Vertragshändlers beruht; ob die Erweiterung des Kundenstammes unmittelbar dessen Tätigkeit zugeordnet werden kann oder diese auf weiteren Faktoren beruht und inwieweit der Vertragshändler in die Vertriebsorganisation des Unternehmens eingebunden ist.
In analoger Anwendung der Vorschriften zum Ausgleichsanspruchs eines Handelsvertreters kommen hierbei Zahlungsansprüche bis zu der durchschnittlichen Jahresbruttomarge der letzten fünf Jahre in Betracht, wobei die Marge in der Differenz zwischen dem Ein- und Verkaufspreis der Vertragsprodukte besteht. Neben dem Ausgleichsanspruch können weitere Ansprüche des Vertragshändlers treten, z.B. wegen nicht realisierbarer Abschreibungen und Kosten.
Zur Vermeidung solcher Ansprüche sollte deshalb ein besonderes Augenmerk auf die vertragliche Gestaltung und den Ausschluss solcher Ansprüche gerichtet werden.
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