Die Hauptversammlung ist das zentrale Entscheidungsorgan der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft wie der spanischen GmbH (Sociedad Limitada) oder Aktiengesellschaft (Sociedad Anómina). Sie wird in aller Regel vom Geschäftsführer der Gesellschaft einberufen. Aber muss der Geschäftsführer auch an ihr teilnehmen? Und vor allem, was ist, wenn er dies nicht macht?
Was ist die Hauptversammlung der Gesellschafter?
Die Hauptversammlung der Gesellschafter ist das ‘Parlament’ einer jeden Kapitalgesellschaft. Dort versammeln sich die Gesellschafter, um sich über den Gang der Gesellschaft zu informieren, zu debattieren und Beschlüsse zu treffen. Damit ist sie gleichzeitig das Kontrollorgan der Geschäftsführung.
Wann tritt die Hauptversammlung zusammen?
Die Versammlung der Gesellschafter wird von der Geschäftsführung der Gesellschaft einberufen. Die ordentliche Hauptversammlung versammelt sich mindestens einmal jährlich innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres, um über den Geschäftsjahresabschluss des Vorjahres, die Verwendung des Ergebnisses und die Genehmigung der Geschäftsführung zu entscheiden. Die Geschäftsführung kann die Hauptversammlung darüber hinaus immer dann einberufen, wenn sie dies für notwendig erachtet. Sie muss von ihr einberufen werden, wenn die Gesellschafter, die mindestens 5% des Kapitals der Gesellschaft vertreten, dies beantragen. Die Gesellschafter können auch ohne vorherige Einberufung durch die Geschäftsführung eine universelle Versammlung abhalten, sofern alle Gesellschafter hiermit einverstanden sind.
Muss der Geschäftsführer an der Hauptversammlung der Gesellschafter teilnehmen?
Die Teilnahme des Geschäftsführers ist der Normalfall. Schliesslich ist es regelmässig er, der die Versammlung einberuft. Darüber hinaus bestimmt das Gesetz zu den spanischen Kapitalgesellschaften auch eine Teilnahmepflicht, wonach der Geschäftsführer an der Hauptversammlung teilnehmen muss (Art. 180 LSC).
Was passiert, wenn einer oder mehrere Geschäftsführer nicht teilnehmen?
Dies ist gesetzlich nicht geregelt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung führt die Abwesenheit aber im Regelfall nicht dazu, dass die Hauptversammlung zu unterbrechen oder diese gar nichtig wäre. Andernfalls könnte die Geschäftsführung alleine durch ihr Fehlen eine Beschlussfassung der Gesellschafter einschliesslich ihre eigene Abberufung torpedieren und die Gesellschaft so praktisch einer ausweglosen Situation ausliefern.
Bedeutet dies, dass ein Verstoss gegen die Teilnahmepflicht immer folgenlos bleibt?
Nein. Zum einen können die Gesellschafter die Hauptversammlung unterbrechen oder verlängern, bis die Geschäftsführung anwesend ist. Zum anderen kann sich die Geschäftsführung durch ihr Fehlen haftbar machen. Davon abgesehen kommt nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung bei Abwesenheit der Geschäftsführung ausnahmsweise doch eine Nichtigkeit der Hauptversammlung in Betracht. Dies ist dann der Fall, wenn hierdurch Gesellschafterrechte verletzt werden, die gerade durch die Abhaltung der Versammlung gewahrt werden sollen. In der Entscheidung des spanischen Obersten Gerichtshofs (Tribunal Supremo) vom 19. April 2016 ging es beispielsweise um die Hauptversammlung einer Vermögensverwaltungsgesellschaft, auf der das delegierte Verwaltungsmitglied (consejero delegado) zum Abschluss bestimmter Finanzoperationen und Darlehen ermächtigt werden sollte. Nach Auffassung des Tribunal Supremo führte die Abwesenheit aller Geschäftsführer dazu, dass das Frage- und Informationsrecht der Gesellschafter praktisch ausgehebelt wurde, weshalb das Gericht die Hauptversammlung und die auf ihr getroffenen Beschlüsse für nichtig erklärte.
Was bedeutet das für die Praxis?
Grundsätzlich sind die Geschäftsführer verpflichtet, an der Hauptversammlung der Gesellschafter teilzunehmen. Alleine durch ihr Fehlen können sie die Beschlussfassung aber nicht verhindern. Nehmen sie nicht teil und ist die Abwesenheit entscheidend für die Wahrung von Gesellschafterrechten, risikieren sie neben einer Haftung für mögliche Schäden auch die Nichtigkeit der Versammlung und der dort getroffenen Beschlüsse. Grundsätzlich sollte daher immer die gesamte Geschäftsführung an der Hauptversammlung teilnehmen und bei Fehlen eines oder mehrerer Geschäftsführer die Folgen sorgfältig abgewägt werden. Im Zweifel kann die Versammlung unterbrochen oder verlängert werden, wenn sie nicht zu einem anderen Zeitpunkt einberufen werden kann.
© 2018 Andreas Fuss Advocat & Rechtsanwalt
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