Die Frist zur Vollstreckung ausländischer Urteile in Spanien Die Ausschlussfrist nach der spanischen Zivilprozessordnung

Vollstreckung in SpanienDie Vollstreckung von rechtskräftig festgestellten Ansprüchen ist zeitlich nur begrenzt möglich. Dies ist in Spanien nicht anders als in anderen Ländern. Die spanische Zivilprozessordnung sieht insoweit für bestimmte Vollstreckungstitel eine Ausschlussfrist von fünf Jahren vor. Deren Anwendung auf ausländische Urteile oder Vergleiche ist allerdings keineswegs unumstritten.

Hintergrund

Die Verjährungsfristen für die Vollstreckung sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ausgestaltet. In Deutschland beläuft sich zum Beispiel die Verjährungsfrist für die Vollstreckung rechtskräftig festgestellter Ansprüche auf 30 Jahre (§ 197 BGB). In Spanien ist dagegen die Zwangsvollstreckung aus einer gerichtlichen Entscheidung, einem Schiedsspruch oder einem gerichtlichen Vergleich bzw. Vereinbarung im Rahmen einer Mediation grundsätzlich nur innerhalb einer Ausschlussfrist von fünf Jahren ab Rechtskraft des Urteils bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Vergleich bindend geworden ist, möglich (Art. 518 spanische Zivilprozessordnung). Die Frage ist, ob diese Ausschlussfrist auf die Vollstreckbarkeitserklärung von ausländischen Urteilen in Spanien anwendbar ist oder ob sich diese Frist nicht nach dem Recht des Staates richtet, in dem die Entscheidung erlassen wurde. Die Antwort auf diese Frage ist von grosser Bedeutung, denn von ihr hängt ab, ob das ausländische Urteil in Spanien vollstreckt werden kann oder nicht.

Exquatur vs. unmittelbare VollstreckungExequatur und Vollstreckbarkeit

Das Regelwerk zur Vollstreckung ausländischer Titel ist umfangreich. Ein ausländischer Titel kann aber regelmässig nicht einfach ohne weiteres Zutun im spanischen Inland vollstreckt werden. Vielmehr muss ein spanisches Gericht den ausländischen Vollstreckungstitel zunächst zur Zwangsvollstreckung zulassen und für vollstreckbar erklären. Diese Vollstreckbarkeitserklärung nennt man auch Exequatur, das als Verfahren der eigentlichen Vollstreckung vorausgeht und von ihr zu trennen ist.

Das Exequatur dominierte lange Zeit auch die Vollstreckung von in EU-Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen. In Zivil- und Handelssachen sah beispielsweise das Brüsseler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen aus dem Jahr 1968 und später die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 das Exequaturverfahren unter vereinfachten Bedingungen vor. Erst die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, die am 10. Januar 2015 in Kraft getreten ist, ging einen Schritt weiter und führte die unmittelbare Vollstreckung von Titel aus EU-Mitgliedstaaten ein, indem sie auf die vorherige Vollstreckbarkeitserklärung verzichtete.

Dessen ungeachtet ist das Exequatur auch weiterhin das Standardverfahren für Vollstreckungstitel aus Drittstaaten oder Staaten, in denen das Lugano-Übereinkommen aus dem Jahr 2007 Anwendung findet (Schweiz, Norwegen und Island); für bestimmte Titel, die nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 fallen und übergangsweise für Vollstreckungstitel aus EU-Mitgliedstaaten, die noch während der Anwendbarkeit des Brüsseler Übereinkommens von 1968 oder der Verordnung (EU) Nr. 44/2001 ergangen sind.

Die Ausschlussfrist in der RechtssprechungBeispiel: Ein deutsches Urteil in einer Zivil- und Handelssache aus dem Jahr 2016 kann in Spanien unmittelbar vollstreckt werden. Es ist nicht erforderlich, dass ein spanisches Gericht diesen Titel für vollstreckbar erklärt. Wäre dieses Urteil allerdings vor dem 10. Januar 2015 ergangen, müsste in Spanien auch weiterhin zunächst die Vollstreckbarkeit (Exequatur) beantragt werden. Erst danach kann die eigentliche Vollstreckung in Spanien beantragt werden.

Bei allen ausländischen Entscheidungen, die der Vollstreckbarkeitserklärung bedürfen, stellt sich daher die Frage, auf was genau die spanische Ausschlussfrist von fünf Jahren anwendbar ist und ab wann diese zu laufen beginnt: Auf die Vollstreckung des Titels ab der Erteilung der Vollstreckbarkeitserklärung (Exequatur) in Spanien oder bereits auf die Beantragung der Vollstreckbarkeitserklärung ab der Rechtskraft des Titels.

Die Rechtsauffassung des spanischen Obersten Gerichtshofs

Der spanische Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) hat sich zu dieser Frage in seinem Urteil 573/2014 vom 16. Oktober 2014 geäussert. In diesem Verfahren ging es um die Vollstreckung der Entscheidung eines EU-Mitgliedstaates (Finland) in Spanien aus dem Jahr 2005. Der Oberste Gerichtshof lehnte die Vollstreckbarkeitserklärung (Exequatur) des Titels mit dem Argument ab, dass der anwendbaren EU-Verordnung Nr. 44/2001 keine Frist zur Beantragung der Vollstreckbarkeitserklärung zu entnehmen sei. Diese Frage regele sich daher subsidiär nach spanischem Verfahrensrecht. Die Beantragung der Vollstreckbarkeit sei hierbei als Teil der Vollstreckung anzusehen, weshalb die 5-jährige Ausschlussfrist des Artikels 518 spanische Zivilprozessordnung auch auf die Beantragung der Vollstreckbarkeit (Exequatur) der Entscheidung Anwendung finde. Da die Frist bereits abgelaufen war, sei der Antrag auf Vollstreckbarkeit zurückzuweisen.


“Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter”

  Johann Wolfgang Goethe


Diese Entscheidung ist rechtsfehlerhaft. Zum einen ist die Beantragung der Vollstreckbarkeit (Exequatur) kein Teil der Vollstreckung, sondern deren Voraussetzung und geht dieser als solche in einem getrennten Verfahren voraus. Zum anderen ist es nicht zutreffend, dass diese Frage in der EU-Verordnung Nr. 44/2001 nicht geregelt ist, denn Artikel 38 Absatz 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt, dass “die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind” in dem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden können, wenn sie dort für vollstreckbar erklärt werden (für Entscheidungen aus der Schweiz, Norwegen und Island gleichlautend Art. 38 I Lugano-Übereinkommen 2007). Eine Entscheidung ist aber in dem Mitgliedstaat, in dem sie ergangen ist, nur dann vollstreckbar, wenn sie dort noch nicht verjährt ist. Deshalb muss sich die Verjährungs- bzw. Ausschlussfrist zur Beantragung der Vollstreckbarkeit auch zwangsläufig nach dem Recht des Mitgliedstaates richten, in dem die Entscheidung ergangen ist, und nicht nach Artikel 518 der spanischen Zivilprozessordnung als Recht des Staates, in dem die Vollstreckbarkeit beantragt wird.

Beispiel: Nach der Auffassung des spanischen Obersten Gerichtshofs kann ein rechtskräftiges Urteil aus Deutschland aus dem Jahr 2006 in Spanien auf die Einwendung des Vollstreckungsschuldners hin nicht für vollstreckbar erklärt werden, da die spanische Ausschlussfrist von fünf Jahren für die Beantragung des Exequaturs bereits im Jahr 2011 abgelaufen ist. Dagegen ist die Entscheidung in Deutschland vollstreckbar, da aus deutscher Sicht die Verjährungsfrist 30 Jahre beläuft.

Dieses Ergebnis kann evident nicht richtig sein, denn praktisch wird damit über eine nationale Regelung die einheitliche Regelung der Vollstreckbarkeit gemäss der EU-Verordnung Nr. 44/2001 ausgehebelt. Nach der hier vertretenen Auffassung müsste daher auf die Frist zur Beantragung der Vollstreckbarkeit (Exequatur) richtigerweise das Recht des Staates Anwendung finden, in dem die Entscheidung ergangen ist, also im vorgehenden Beispiel deutsches Recht. Auf die Vollstreckung der Entscheidung an sich ist dann allerdings die Ausschlussfrist nach spanischen Recht anwendbar und zwar ab der Rechtskraft der Vollstreckbarkeitserklärung (Exequatur), denn erst ab diesem Zeitpunkt kann das deutsche Urteil überhaupt wie ein spanisches Urteil vollstreckt werden. Dies muss jedenfalls für Urteile aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder Urteilen aus Drittstaaten mit einem entsprechenden Übereinkommen (wie z.B. der Schweiz) gelten, da die Verordnung Nr. 44/2001 oder das Lugano-Übereinkommen den nationalen spanischen Bestimmungen im Rang vorgeht.

Beispiel: Um das obige Beispiel fortzuführen, müsste nach der hier vertretenen Auffassung  auf die Beantragung der Vollstreckbarkeit des deutschen Urteils aus dem Jahr 2006 in Spanien die 30-jährige Frist nach deutschem Recht Anwendung finden. Danach wäre das deutsche Urteil im Gegensatz zur Auffassung des Tribunal Supremo in Spanien für vollstreckbar zu erklären. Die 5-jährige Ausschlussfrist nach spanischem Recht fände danach nur auf die darauf folgende Vollstreckung Anwendung und würde ab der Rechtskraft des Exequaturs beginnen. Das Urteil könnte also in Spanien vollstreckt werden. Die Vollstreckungsklage müsste innerhalb von fünf Jahren eingereicht werden.

Die Auffassung des spanischen Obersten Gerichtshofes ist auch deshalb zu kritisieren, da sie den Schuldnertourismus fördert, denn danach kann praktisch der Vollstreckungsgefahr aufgrund eines an für sich vollstreckbaren ausländischen Titels in einem anderen Mitgliedstaat recht einfach dadurch aus dem Weg gegangen werden, in dem das vollstreckungsfähige Vermögen und/oder der Wohnsitz des Schuldners nach Spanien verlagert wird.

Dessen ungeachtet hat die Auffassung des spanischen Obersten Gerichtshofs mittlerweile auch Eingang in die spanischen gesetzlichen Bestimmungen gefunden. So verweist Art. 50.2 des spanischen Gesetzes 29/2015 vom 30. Juli 2015 zur internationalen rechtlichen Zusammenarbeit in Zivilsachen für das Verfahren zur Vollstreckung ausländischer Entscheidungen auf die Bestimmungen der spanischen Zivilprozessordnung einschliesslich der Bestimmungen zur 5-jährigen Ausschlussfrist, wenn insoweit – jedenfalls expressis verbis – auch nicht ausdrücklich auf die Beantragung der Vollstreckbarkeit Bezug genommen wird.

Was bedeutet dies für die Vollstreckung in der Praxis?

Für die Praxis bedeutet dies, dass zwischen ausländischen Vollstreckungstiteln zu unterscheiden ist, die ohne vorheriges Exequatur in Spanien unmittelbar vollstreckbar werden können und solchen, die zunächst von einem spanischen Gericht für vollstreckbar zu erklären sind.

Für die Zwangsvollstreckung von ausländischen Urteilen, gerichtlichen Vergleichen oder Schiedssprüchen bzw. Vereinbarungen im Rahmen einer Mediation, die unmittelbar vollstreckbar sind, ist die Ausschlussfrist des Artikels 518 der spanischen Zivilprozess ab Rechtskraft bzw. der Bindungswirkung des Titels zu beachten. Die Vollstreckung dieser Titel muss innerhalb der Ausschlussfrist von fünf Jahren beantragt werden. Andernfalls kann der Schuldner den Ausschluss der Vollstreckung einwenden und diese zum Fall bringen.

Für die Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungstiteln, die dagegen zunächst für vollstreckbar zu erklären sind, muss trotz der hier geäusserten Auffassung die Rechtsprechung des spanischen Obersten Gerichtshofs (Tribunal Supremo) beachtet werden. Danach sollte das Exequaturverfahren und die darauf folgende Vollstreckung in Spanien ebenfalls innerhalb der Ausschlussfrist von fünf Jahren ab Rechtskraft des Urteils eingeleitet werden, um Risiken zu vermeiden.

Sollte die Ausschlussfrist ab der Rechtskraft der Entscheidung im Ausstellungsland im Zeitpunkt der Beantragung der Vollstreckbarkeit (Exequatur) dagegen bereits abgelaufen sein, muss damit gerechnet werden, dass die Vollstreckbarkeitserklärung des Titels oder die Vollstreckung auf Antrag des Vollstreckungsschuldners für unzulässig erklärt wird. In diesem Fall bleibt nur abzuwägen, die Vollstreckung trotzdem zu versuchen und gegebenenfalls den Rechtsweg zu erschöpfen und eine Vorlage der Angelegenheit an den Europäischen Gerichtshofs zu erreichen, was schwierig ist und allenfalls bei einem Titel aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem Staat mit einem entsprechenden Übereinkommen Sinn macht (z.B. der Schweiz), oder auf die Vollstreckung wegen der damit verbundenen Risiken und Kosten zu verzichten.

Letzteres ist alles andere als ideal, weshalb zu hoffen bleibt, dass in dieser Sache noch weitere höchstrichterliche Entscheidungen ergehen oder die Angelegenheit auf andere Weise ihren Weg zum Europäischen Gerichtshof findet, um eine Klärung zu erhalten. Dies ist nicht gänzlich ausgeschlossen, da die genannte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16. Oktober 2014 einen sehr speziellen Sachverhalt betraf und der Entscheidung sicherlich auch Billigkeitserwägungen zu Grunde lagen. Die Zeit wird es zeigen.

© 2017 Andreas Fuss Advocat & Rechtsanwalt

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