EU-Erbrechtsverordnung und deutsch-spanische Erbfälle

Die EU-Erbrechtsverordnung ist seit dem 16. August 2012 in Kraft, wenn sie auch erst auf Erbfälle Anwendung finden wird, die sich ab dem 17. August 2015 ereignen. Trotzdem ist die Verordnung bereits jetzt bei der Nachfolgeplanung zu berücksichtigen, da sie Vorwirkungen entfaltet. Die EU-Erbrechtsverordnung, die wichtige Bereiche des Zivil- und Verfahrensrechts regelt, betritt in vielerlei Hinsicht Neuland. Dies eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten; macht allerdings auch manche alte Planung obsolet oder anpassungsbedürftig. Dies gilt nicht zuletzt auch und gerade in deutsch-spanischen Erbfällen und vor allem bei einem Wohnsitz in Spanien. 

Die neue Verordnung kommt in allen EU-Staaten außer Dänemark, Irland und Großbritannien zur Anwendung und gilt auch im Verhältnis zu Staatsangehörigen oder Ansässigen außerhalb der teilnehmenden Staaten. Ihr offizieller Titel – Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. Juli über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses – verrät schon einiges über den Inhalt. Dabei hatte der Gesetzgeber nicht die Schaffung eines europaweit einheitlichen Erbrechts vor Augen, was bei den zahlreichen Unterschieden in den Mitgliedstaaten ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Die nationalen Regelungen zur Erbfolge bleiben daher von der EU-Verordnung unberührt. Gleiches gilt auch für die Erbschaftssteuer. Ziel der EU-Erbrechtsverordnung war es vielmehr für bestimmte Fragen EU-weit einheitliche Regelungen einzuführen, um so die Abwicklung und Umsetzung zu erleichtern.

Die bedeutsamsten Änderungen der EU-Erbrechtsverordnung sind im Überblick:

  • Das auf die Erbfolge anwendbare Recht wird künftig an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers angeknüpft statt an das Recht seiner Staatsangehörigkeit
  • Dessen ungeachtet kann der Erblasser eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts treffen.
  • Zuständig sind künftig grundsätzlich die Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers.
  • Urteile in erbrechtlichen Angelegenheiten werden von den EU-Mitgliedstaaten anerkannt und sind EU-weit vollstreckbar, was deren Umsetzung sicherstellt.
  • Es wird ein Europäisches Nachlasszeugnis – eine Art EU-Erbschein – eingeführt, das in allen EU-Mitgliedstaaten den Nachweis der Erfolge ermöglichen wird.

Aus deutscher und spanischer Sicht dürfte die wohl bedeutsamste Veränderung darin bestehen, dass künftig die Erbfolge grundsätzlich nicht mehr wie bisher an das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft wird, sondern an das Recht des Landes, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Ablebens seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dieses Recht wird ohne Rücksicht auf die Art des Nachlassgegenstands und den Ort seiner Belegenheit gelten. In bestimmten Ausnahmefällen kann an das Recht eines anderen Staats angeknüpft werden, sofern der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens zu diesem ein engeres Verhältnis hatte.

Diese Neuerung der EU-Erbrechtsverordnung zieht weitreichende Veränderungen für Deutsche oder Ausländer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien nach sich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Spanien das Erbrecht nicht vereinheitlicht ist, sondern regionale Unterschiede bestehen; die so genannten Foralrechte. So gilt z.B. in Katalonien ein anderes Erbrecht als in Madrid. Die Anwendung des katalanischen Erbrechts auf einen Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Katalonien ist nach der neuen Regelung nicht ganz unproblematisch. Es kann aber festgehalten werden, dass die Anwendung möglich ist. Dies Auswirkungen der neuen Regelung lassen sich am besten an einem Beispiel verdeutlichen:

Ein deutscher Rentner lebt seit 2005 in Andalusien an der Costa del Sol. Er ist verheiratet in der deutschen Zugewinngemeinschaft, hat 2 Kinder und hinterlässt kein Testament. Verstirbt er im Jahr 2014 richtet sich die Erfolge nach deutschem Recht. Folge: Seine Ehefrau erbt zu 1/2 und seine Kinder zu je 1/4. Verstirbt er dagegen im Jahr 2016 richtet sich die Erfolge plötzlich nach gemeinem spanischen Recht, da er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Andalusien hatte. Folge: Die Kinder erben alles zu je 1/2.  Die Ehefrau wird keine Erbin und erhält nur einen Niessbrauch an 1/3 des Nachlasses. Lebt dagegen der gleiche deutsche Rentner in Barcelona, kann ggf.  katalanisches Foralrecht Anwendung finden. Folge: Die Kinder erben ebenfalls zur 1/2. Die Ehefrau bekommt allerdings einen Niessbrauch am gesamten Nachlass.

Abhängig von dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers kann deshalb das eine oder das andere Erbrecht Anwendung finden, wobei die Folgen sehr unterschiedlich sind. Hierbei kann sich der Erblasser auch nicht darauf verlassen, dass sich nach dem jeweils anwendbaren Recht alles in einem Testament regeln lässt. Das gemeinsame spanische Recht beschränkt z.B. die Testierfreiheit des Erblassers und favorisiert – anders als das deutsche oder katalanische Recht – die Kinder als so genannte Zwangserben. Danach kann der Erblasser in unserem Beispiel nur über 1/3 der Erbmasse völlig frei verfügen; 2/3 des Vermögens sind unter den Kindern als Zwangserben zu verteilen. Nach deutschem oder katalanischem Recht kann der Erblasser dagegen frei über sein Vermögen verfügen, wenn auch beide Rechte einen Pflichtteilsanspruch kennen. In unserem Beispielsfalls wäre dieser aber zum einen nur in Geld zu zahlen und zum anderen deutlich geringer.

Gleichzeitig wird sich auch die verfahrensrechtliche Abwicklung des Nachlassfalles ändern, da die Beantragung des EU-Nachlasszeugnisses zukünftig alleine über Spanien laufen wird. Bei gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien wird es nach der EU-Erbrechtsverordnung deshalb künftig nicht mehr möglich sein einen Erbschein über Deutschland zu beantragen.

Die erbrechtliche Nachfolgeregelung macht stets eine sorgfältige Planung erforderlich. Dies gilt schon bei rein nationalen Sachverhalten und um so mehr bei Erbfällen mit Auslandsbezug. Die EU-Erbrechtsverordnung gibt hierfür vereinheitlichte Regelungen an die Hand und die Möglichkeit diesen EU-weit Geltung zu verschaffen. Dabei ist es bereits jetzt möglich (und  notwendig) die Nachfolgeregelung hierauf anzupassen.

Eine Möglichkeit ist die nach der EU-Erbrechtsverordnung vorgesehene Rechtswahl. Danach kann der Erblasser bestimmen, dass er nach seinem Heimatrecht beerbt werden will und die Anwendung des Aufenthaltsrechts zugunsten einer ihm besser vertrauten Rechtsordnung vermeiden. Die Wahl kann hierbei ausdrücklich erfolgen oder sich mittelbar aus dem Inhalt einer Verfügung von Todes wegen ergeben. Es ist aber stets eine ausdrückliche Wahl empfehlenswert, um Unklarheiten zu vermeiden. Eine solche Rechtswahl ist bereits heute möglich und auch nach der Anwendbarkeit der EU-Erbrechtsverordnung im Jahr 2015 zu berücksichtigen.

Die EU-Erbrechtsverordnung sollte nicht als Stolperstein, sondern als Chance begriffen werden. In deutsch-spanischen Sachverhalten macht diese allerdings ein Umdenken erforderlich. Alte Nachfolgeplanungen müssen überprüft und gegebenenfalls neu austariert werden. Zukunftsorientierte Nachfolgeregelungen sollten und müssen die neuen Regelungen bereits jetzt berücksichtigen.

© 2013 Andreas Fuss Abogado & Rechtsanwalt · Rechtliche Hinweise · Kontakt