Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer für Selbständige und KMUs

Mit dem Gesetz 14/2013 vom 27. September zur Unterstützung der Unternehmer und ihrer Internationalisierung, näher ausgestaltet durch das Königliche Dekret 828/2013 vom 25. Oktober zur Änderung der Durchführungsverordnung führt der spanische Gesetzgeber für Selbständige und kleinere und mittlere Unternehmen bei der Umsatzsteuer die Möglichkeit der Ist-Besteuerung (criterio de caja en el IVA) ein.

Bislang war die Umsatzsteuer stets auf ausgestellte Rechnungen abzuführen. Dies belastete die Liquidität, da die Umsatzsteuer ungeachtet der Zahlung der Rechnung vierteljährlich an das Finanzamt zu zahlen war. Für Steuerpflichtige, die ihre Tätigkeit aufnehmen oder einen Umsatz im Vorjahr von weniger als 2 Mio € erzielt haben, besteht nun die Möglichkeit zur Ist-Besteuerung zu optieren und die Umsatzsteuer erst mit Zahlungseingang abzuführen.  Ausgenommen von dieser Regelung sind Steuerpflichtige, die während des Kalenderjahres von einem Rechnungsempfänger Zahlungen von mehr als 100.000 € erhalten haben.

Diese Form der Abführung der Umsatzsteuer ist freiwillig, wobei die Option jährlich für das Folgejahr und erstmalig bis Jahresende mit Wirkung ab dem 01. Januar 2014 ausgeübt werden kann.

Die Ist-Besteuerung erstreckt sich mit gewissen gesetzlichen Ausnahmen (z.B. Exporte, innergemeinschaftliche Umsätze, Importe und Selbstverbräuche) grundsätzlich auf alle umsatzsteuerrelevanten Vorgänge des Steuerpflichtigen. Die Dauer ist unbefristet und gilt solange die oben genannten Schwellenwerte nicht überschritten werden. Andernfalls entfällt die Option für das Folgejahr mit der Folge, dass die Umsatzsteuer wieder auf ausgestellte (und nicht vereinnahmte) Rechnungen abzuführen ist.

Diese von Selbständigen und KMUs seit langem geforderte Option unterliegt allerdings einigen wichtigen Einschränkungen:

Die Abführung der fakturierten Umsatzsteuer mit Zahlungseingang der Rechnung gilt nicht unbegrenzt. Wird die Rechnung nicht oder verzögert gezahlt, ist die Umsatzsteuer unabhängig vom Zahlungseingang spätestens bis zum 31. Dezember des unmittelbar nachfolgenden Jahres zu zahlen. Im Endergebnis wird daher praktisch nur ein Zahlungsaufschub gewährt.

Im Gegenzug zur Ist-Besteuerung bei der fakturierten Umsatzsteuer wird gleichzeitig der Vorsteuerabzug des Steuerpflichtigen beschränkt, der zu dieser Form der Abführung optiert. Dies bedeutet, dass der Rechnungsaussteller in seiner Umsatzsteuererklärung die ihm von seinen Lieferanten berechnete Umsatzsteuer ebenfalls erst bei vollständiger oder teilweiser Zahlung geltend machen kann. Unabhängig von einer Zahlung muss der Vorsteuerabzug allerdings ebenfalls bis spätestens zum 31. Dezember des unmittelbar nachfolgenden Jahres erfolgen.

Die Kontrolle dieser Vorgänge macht erforderlich, dass der Steuerpflichtige nun zukünftig auch Zahlungseingang und -form der ausgestellten Rechnung sowie der empfangenen Rechnung zu verbuchen hat. Dies ist für Unternehmen mit einer doppelten Buchführung unproblematisch; wird aber beim kleinen Selbständigen mit vereinfachter Buchführung zu Mehraufwand führen; dies nicht zuletzt deshalb, da Teilzahlungen zur teilweisen Abführung der Umsatzsteuer bzw. teilweisen Geltendmachung der Vorsteuer führen.

Die Änderungen bezüglich des Vorsteuerabzuges betreffen allerdings nicht nur den Rechnungsaussteller, der zu dieser Form der Abführung optiert, sondern auch den Rechnungsempfänger, der eine Rechnung von einem solchen Steuerpflichtigen erhält. Dies bedeutet, dass die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer, die von einem Rechnungsaussteller fakturiert wird, der zur Ist-Besteuerung optiert hat, von dem Rechnungsempfänger erst dann in seiner vierteljährlichen Umsatzsteuererklärung abgezogen werden kann, wenn die Rechnung ausgeglichen wurde. Dies ist auch der Grund, warum der Rechnungsaussteller in der Rechnung auf die Ist-Besteuerung hinzuweisen hat. Nicht geregelt ist allerdings der Fall, dass dieser Hinweis fehlt.

Die letztgenannte Regelung wird zu Recht kritisiert, da dies den Verwaltungsaufwand des Rechnungsempfängers deutlich erhöhen wird, denn er wird stets in jedem Einzelfall kontrollieren müssen, ob der Rechnungsaussteller zur Ist-Besteuerung optiert hat. Oder anders ausgedrückt, er wird – unabhängig von dem Hinweis in der Rechnung – stets kontrollieren müssen, ob und wann er die Vorsteuer geltend machen kann, sofern er Risiken vermeiden will. Gleichzeitig wird dies erforderlich machen, alle Zahlungen genau zu dokumentieren und die Buchhaltung von Rechnungsaussteller und – empfänger abzugleichen, um Divergenzen bei der Umsatzsteuererklärung zu vermeiden, z.B. wegen Verzögerungen beim Zahlungseingang wie dies bei Zahlungen per Scheck, Wechsel, Kreditkarte oder Online-Diensten der Fall sein kann. Dies ist um so befremdlicher, als sich das Reformgesetz gleichzeitig den Abbau von Verwaltungsaufwand auf die Fahnen geschrieben hat. Nicht wenige befürchten, dass dies dazu führen wird, dass Unternehmen ihre Lieferanten zukünftig danach einstufen werden, ob diese zur Ist-Besteuerung optiert haben.

Nicht zuletzt machen diese Neuerungen ausserdem erforderlich auch die jährliche Informationserklärung zu Umsätzen mit Dritten (Modell 347) anzupassen. Danach ist zukünftig nach den Vorgängen zu unterscheiden, die der Ist- und jenen die der Soll-Besteuerung unterliegen. Dies bringt weiteren Aufwand mit sich und zwar sowohl für den Rechnungsaussteller wie für den Empfänger.

Die Ist-Besteuerung war eine langjährige Forderungen von Selbständigen und KMUs. In Anbetracht der Umsetzung, der dem Null-Kosten-Ansatz des Finanzamts geschuldet ist, fragt sich allerdings, ob sich diese Option in der Praxis tatsächlich bewähren wird. Die Option kann für jene Selbständigen und KMUs attraktiv sein, deren vierteljährliche Umsatzsteuererklärung mit einer Einzahlung endet. Anders sieht es bei regelmässigen Umsatzsteuerrückzahlungen aus, also z.B. jenen Unternehmern, die zur monatlichen Rückzahlung optiert haben.

Aus Sicht des Rechnungsstellers sollte jedenfalls in jedem Einzelfall stets genau abgewogen werden, ob eine Option zur Ist-Besteuerung tatsächlich Sinn macht und im Verhältnis zum Aufwand steht. Aus Sicht des Rechnungsempfängers wird diesem nichts anderes übrig bleiben, als sich auf die  neue Regelung einzustellen und alle eingehenden Rechnungen noch genauer zu prüfen, als dies bisher bereits der Fall war.

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