Steuerliche Änderungen für Selbständige

Das Königliche Gesetzesdekret 20/2012 vom 13. Juli 2012 ist eines der letzten Massnahmenpakete der spanischen Regierung zur Bekämpfung der Krise in Wirtschaft und Finanzen. Aus den zahlreichen Massnahmen sollen im nachfolgenden einige für Selbständige wichtige steuerliche Änderungen herausgegriffen werden.

In erster Linie zählt hierzu die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Obwohl die letzte Erhöhung gerade einmal zwei Jahre zurückliegt und eine Mehrwertsteuererhöhung bis zum Schluss bestritten wurde, wird mit Wirkung ab dem 01. September 2012 der allgemeine Mehrwertsteuersatz von aktuell 19% auf 21% angepasst. Dies bedeutet eine Erhöhung der Mehrwertsteuer innerhalb der letzten zwei Jahre von 5 Prozentpunkten (!). 

Darüber hinaus wird der reduzierte Umsatzsteuersatz von derzeit 8% auf 10% erhöht. Gleichzeitig werden eine Reihe von Produkten und Leistungen, die bislang dem reduzierten Umsatzsteuersatz unterlagen, dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 21% unterworfen. Dies bedeutet praktisch eine Mehrwertsteuererhöhung von bis zu 162,50% (!) gegenüber der aktuellen Besteuerung. Zu den hiervon betroffenen Produkten und Leistungen zählen u.a.  Eintrittskarten für das Theater, Kino und andere kulturelle Veranstaltungen, Leistungen von Künstlern und der Erwerb von Kunstwerken, Bestattungen, der Gang zum Friseur, der Kauf von Blumen und Pflanzen, Mischleistungen im Bereich der Hostelerie etc. Die restlichen Leistungen und Produkte bleiben wie bisher dem reduzierten Mehrwertsteuersatz mit der erwähnten Erhöhung auf 10% unterworfen. Hierzu zählen u.a. Lebensmittel, Wasser, Sehbrillen und Kontaktlinsen, Eintrittskarten für Museen und Bibliotheken, bestimmten Reparatur- und Bauarbeiten an Wohnungen etc.

Im Zuge der Mehrwertsteuererhöhung wird auch der für Einzelhändler wichtige Äquivalenzzuschlag (recargo de equivalencia) angepasst werden. Für den allgemeinen Mehrwertsteuersatz wird dieser Zuschlag von 4% auf 5,2% und für den verringerten Mehrwersteuersatz von 1% auf 1,4% erhöht. Für die Selbständigen, die zur Pauschalbesteuerung (tributación por módulos) optiert haben, ist eine Erhöhung der Zahlungen für das dritte oder vierte Quartal 2012 zu erwarten.

Als weitere Massnahme werden ab dem 01. September 2012 die Einkommenssteuervorauszahlungen (retenciones) angehoben. Diese in der Rechnung als Quellensteuer auszuweisende Vorauszahlung, die vom Rechnungsempfänger abzuführen ist, beläuft sich derzeit auf 15% des Netto-Rechnungsbetrages. Im Rahmen einer sehr konfusen Regelung wird dieser Satz allgemein auf 19% erhöht. Für die Jahre 2012 und 2013 gilt allerdings vorübergehend ein höherer Satz von 21%, so dass sich die Einkommenssteuervorauszahlungen praktisch erst ab dem Jahr 2014 auf die genannten 19% einpendeln werden.

Dies bedeutet in der Praxis für einen selbständigen Architekten oder Berater, der € 80.000,00 im Jahr fakturiert, in den Jahren 2012 und 2013 eine Einkommensteuervorauszahlung (retención) von 21% der Fakturierung oder € 16.800,00, sofern alle seine Einnahmen der Einkommensteuervorauszahlung (retención) unterliegen. Bei abzugsfähigen Betriebsausgaben von etwa der Hälfte seiner Einnahmen sind damit zukünfig nicht mehr und nicht weniger als 42% seines Gewinns an retención an das Finanzamt abzuführen. Dies ist umso erstaunlicher, als bei Berücksichtigung seines persönlichen Freibetrages sein durchschnittlicher jährlicher Steuersatz und damit seine jährliche Einkommensteuer regelmässig deutlich unter den Einkommenssteuervorauszahlungen liegen wird. Zwar unterliegen in aller Regel nicht alle Rechnungen der retención und der Selbständige erhält die Differenz im Zuge seiner jährlichen Einkommenssteuererklärung mit der entsprechenden Verzögerung zurück. Das Rechenbeispiel zeigt aber nur allzu deutlich in welcher Weise sich das Finanzamt auf seine Kosten zu finanzieren beabsichtigt.

Die Folgen der sehr umstrittenen Änderungen bleiben abzuwarten. Es ist aber bereits jetzt abzusehen, dass sich diese Massnahmen massgeblich auf den Binnenkonsum und die Liquidität des kleinen Selbständigen auswirken wird. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieser in Anbetracht der aktuellen Situation wirtschaftlich genügend Luft hat, um beides zu überleben.

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