Die Immobilienkrise hat in Spanien tiefe Spuren hinterlassen und Zwangsversteigerungen sind an der Tagesordnung. Dies betrifft in besonderem Masse jene Hauseigentümer, die zu Zeiten des Immobilienbooms ihre oftmals völlig überteuerten vier Wände mit einer Hypothek finanziert haben, die sie nun nicht mehr bedienen können. Die Zwangsversteigerung eröffnete bislang aber nur in den wenigsten Fällen einen Weg aus der Schuldenfalle. Dem möchte der Gesetzgeber nun mit dem Königlichen Gesetzesdekret 8/2011 entgegensteuern.
Hintergrund der Reform ist unter anderem die bislang nicht ausreichende Tilgung der Verbindlichkeiten bei Übernahme der Immobilie durch die Bank bei der Zwangsversteigerung. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass wie so oft kein Bieter erscheint und es deshalb überhaupt nicht zur Zwangsversteigerung kommt. In diesem Fall steht es der Bank frei, die Immobilie übernehmen und den Wert auf die Verbindlichkeiten anzurechnen. Die Anrechnung erfolgt aber nicht auf den Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten, sondern nur teilweise. Angerechnet wurde die Hälfte des aktuellen Schätzwertes. Die Restschuld blieb bestehen und der Schuldner war verpflichtet, diese bei der Bank abzuzahlen. Abgesehen davon, dass der Schuldner mit der Immobilie oftmals den überwiegenden Teil seines Vermögens verlor, wurde die Tilgung der restlichen Verbindlichkeiten regelmässig dadurch erschwert, dass die einstmals bei der Hypothekenaufnahme hochpreisige Immobilie zwischenzeitlich stark an Wert verloren hatte. Die Übernahme der Immobilie durch die Bank löste daher das Schuldenproblem nur teilweise und die Schuldenfalle war zugeschnappt.
Erschien tatsächlich ein Bieter zur Zwangsversteigerung, übernahm die Bank dennoch nicht selten die Immobilie zu einem Spottpreis. Bei einem höchsten Gebot von unter 70% des Schätzwertes konnte die Bank die Immobilie zum Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten des Schuldners übernehmen, vorausgesetzt diese lagen über dem höchsten Gebot und der Schuldner konnte – wie regelmässig – kein besseres Gebot beibringen.
Die Reform setzt daher in erster Linie dabei an, die Teilnahme an der Versteigerung attraktiver zu gestalten, damit es überhaupt zur Zwangsversteigerung kommt. Musste der Bieter hierfür bislang vorab 30% des Schätzwertes bei Gericht hinterlegen, wird zukünftig eine Hinterlegung von 20% des aktuellen Schätzwertes genügen.
Gleichzeitig hebt der Gesetzgeber die Schwellenwerte der Tilgung an: Kommt es zur Versteigerung und liegt das höchste Gebot unter 70% des aktuellen Schätzwertes, wird der Bank eine Übernahme der Immobilie zukünftig nur noch dann möglich sein, sofern die Verbindlichkeiten des Schuldners über 60% des Schätzwertes und dem höchsten Gebot liegen sowie der Schuldner keinen höheren Bieter finden kann. Damit wird zukünftig eine Tilgung der Schuld von weniger als 60% des Schätzwertes vermieden.
Gleiches gilt, falls es mangels Bieter nicht zur Versteigerung kommt. In diesem Fall wird die Bank die Immobilie zukünftig ebenfalls nur noch zu 60% (statt wie bislang zu 50%) des aktuellen Schätzwertes übernehmen können. Damit ist sichergestellt, dass mit oder ohne Versteigerung und Übernahme durch die Bank zumindest 60% des Schätzwertes der Immobilie auf die Verbindlichkeiten des Schuldners anzurechnen sind.
Ausserdem werden die Pfändungsfreibeträge für Hypothekenschuldner angehoben, die ihre gewöhnliche Wohnung aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten im Wege der Zwangsversteigerung verloren haben. Diese Erleichterungen betreffen also die Tilgung der Restschuld nach Versteigerung bzw. Übernahme der Immobilie durch die Bank. Insoweit wird der geltende Pfändungsfreibetrag für den Schuldner um 50% sowie um weitere 30% des gesetzlichen Mindestgehalts für jedes Mitglied der engeren Familie erhöht, das über keine regelmässigen Einkünfte über dem gesetzlichen Mindestgehalt verfügt. Unter engeren Familienmitgliedern sind der Ehegatte oder Lebenspartner sowie Familienmitglieder in aufsteigender oder absteigender Linie 1. Grades zu verstehen, die mit dem Vollstreckungsschuldner zusammenleben. Die restlichen Einkünfte unterliegen der bisherigen Pfändungstabelle.
Die Reform entlastet daher die Hypothekenschuldner; die wesentlichen Verfahrensgrundsätze der Zwangsversteigerung bleiben allerdings unberührt. Die Übernahme der Immobilie durch die Bank wird daher auch weiterhin nicht automatisch zu einer Tilgung der Gesamtverbindlichkeit führen, was diskutiert wurde. Die Höhe der Entlastung hängt im Übrigen massgeblich vom weiteren Preisverfall der Immobilien ab, da Ausgangspunkt der Mindesttilgung der aktuelle Schätzwert ist. Die Änderungen sind daher zu begrüssen; werden aber kaum ausreichend sein, um die Problematik der Überschuldung der Hypothekenschuldner zu lösen.
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