Die EG-Verordnungen zum Europäischen Mahnverfahren und dem Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen sind bereits vor einiger Zeit am 01. Januar 2009 in Kraft getreten. Nichtsdestotrotz fristeten diese Verfahrensformen in Spanien ein bislang eher stiefmütterliches Dasein und warfen nicht wenige Fragen auf. Mit Verspätung zieht nun der spanische Gesetzgeber nach und passt mit dem Gesetz 4/2011 vom 24. März 2011 das Zivilverfahren an.
Das Europäische Mahnverfahren ist ein gerichtliches Mahnverfahren, das innerhalb der Europäischen Union eine einfache und zügige Geltendmachung von Zahlungsansprüchen ermöglicht. Vor allem mit Blick auf die Formalisierung bietet dieses Verfahren erhebliche Vorteile gegenüber dem spanischen Mahnverfahren. Bei dem Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen handelt es sich um eine europaweit standarisierte Klage, die eine einfache Durchsetzung und Vollstreckung von Zahlungsansprüchen erlaubt, die einschliesslich Zinsen und Kosten einen Streitwert von € 2.000,00 nicht überschreiten. Das spanische Zivilverfahren kennt kein vergleichbares Verfahren. Die Besonderheiten beider europäischen Verfahren machte eine Anpassung des spanischen Zivilverfahrensrechts erforderlich, die sich wie folgt kurz zusammenfassen lässt:
- Das spanische Zivilverfahren unterscheidet zwischen mündlichen (juicio verbal) und ordentlichen Verfahren (juicio ordinario). Ausgehend vom Gegenstandswert des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen wird die Einleitung des mündlichen Verfahrens (juicio verbal) zukünftig bei einem Streitwert von bis zu € 2.000,00 ähnlich wie beim spanischen Mahnverfahren mit einem Formblatt möglich sein.
- Darüber hinaus besteht in mündlichen Verfahren zukünftig generell erst ab einem Streitwert von € 2.000,00 (bislang € 900,00) Anwalts- und Prokuratorenzwang. Sofern im Hauptverfahren kein Anwalts- und Prokuratorenzwang vorgesehen ist, gilt dies auch für die nachfolgende Vollstreckung.
- Bei Einleitung eines spanischen Mahnverfahrens werden gerichtliche Massnahmen zur Ermittlung des Aufenthalts möglich sein. Zuständigkeitskonflikte sollen dadurch vermieden werden, dass sich bei Ermittlung des Antragsgegners in einem anderen Gerichtsbezirks das angerufene Gericht für unzuständig erklärt, damit der Antragsteller den Antrag beim zuständigen Gericht einreichen kann.
- Differenzen beim Mahnantrag und der Höhe der Forderung werden nicht mehr automatisch zur Abweisung des Antrags führen. Vielmehr kann das Gericht dem Antragsteller in Anlehnung an das Europäische Mahnverfahren zukünftig den Erlass eines Zahlungsbefehls über einen geringeren Betrag vorschlagen.
- Die Bearbeitung des Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls und des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen wird weitgehend dem Gerichtssekretär – einer Art Rechtspfleger – übertragen.
- Alle nicht in den EG-Verordnungen geregelten Fragen richten sich nach den Vorschriften der spanischen Zivilprozessordnung zum gerichtlichen Mahnverfahren bzw. dem mündlichen Verfahren.
- Der begründete Widerspruch gegen das Europäische Verfahren für geringfügige Verfahren wegen Überschreitung des Gegenstandswertes wird nicht zur Abweisung des Antrags führen. Das Verfahren wird in das jeweils einschlägige Verfahren (juicio verbal oder juicio ordinario) übergeleitet.
- Bei Europäischen Zahlungsbefehlen und Entscheidungen über geringfügige Forderungen aus anderen Mitgliedstaaten wird bezüglich ihrer Ausfertigung zur Vollstreckung in Spanien weitgehend auf die Verordnungen (EG) Nr. 1896/2006 und Nr. 861/2007 verwiesen. In der Praxis bedeutet dies, dass der Titel vom Heimatgericht unter Verwendung des Formblatts auszufertigen und mit der Den-Haager-Apostille zu überglaubigen ist. Darüber hinaus ist eine beglaubigte Übersetzung der Bestätigung des Zahlungsbefehls von einem in Spanien anerkannten Übersetzer in die spanische oder in eine der am Ort der Vollstreckung anerkannten offiziellen Amtssprache erforderlich.
- Für den Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls und die Einleitung eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sind zukünftig Gerichtsgebühren zu entrichten. Dies betrifft vor allem Unternehmen, da natürliche Personen von dieser Verpflichtung freigestellt sind.
Das Reformgesetz schafft Klarheit im Zivilverfahren, was eine entgegenkommendere Handhabung beider Verfahrensformen durch die spanischen Gerichte erwarten lässt. Wünschenswert wäre eine praktischere Bescheinigung der Titel gewesen, wobei die Reform allerdings den europäischen Vorgaben folgt. In der Praxis bedeutet dies leider Kostennachteile, sofern es sich um die Vollstreckung von Titeln aus anderen EU-Mitgliedstaaten handelt. Besonders zu kritisieren ist die Regelung der Gerichtsgebühren, deren Handhabung in der Praxis ein ernsthaftes Problem darstellt. Die Abführung der Gerichtsgebühren erfordert eine spanische Steuernummer, über die Unternehmen mit Sitz ausserhalb Spaniens in aller Regel nicht verfügen. Wer den Formalismus kennt, um eine solche Nummer zu erhalten, weiss, dass dies nicht selten ein Grund ist, von der Rechtsverfolgung Abstand zu nehmen. Es wäre ein Einfaches gewesen, auch die Umsatzsteueridentifikationsnummer der Unternehmen zu akzeptieren. Aktuell betrifft dies aber nur Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro.
Das Reformgesetz, das am 14. April 2011 Kraft getreten ist, stellt aber einen Schritt in die richtige Richtung dar und wird die grenzüberschreitende Forderungsverfolgung weiter vereinfachen.
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